Privilegierung von Betriebsvermögen ist teilweise verfassungswidrig
Verschonung für kleine und mittelständische Betriebe
In seiner rund 300 Textziffern umfassenden Urteilsbegründung weist das Bundesverfassungsgericht darauf hin, dass es grundsätzlich nicht zu beanstanden ist, kleine und mittelständische Unternehmen von der Erbschaftsteuer freizustellen, soweit diese zur Erhaltung von Arbeitsplätzen beitragen. Eine Privilegierung es unentgeltlichen Erwerbs von betrieblichem Vermögen ist jedoch unverhältnismäßig, und damit Verfassungswidrig, insoweit die Verschonung über den Bereich kleiner- und mittelständischer Firmen hinausgeht ohne eine entsprechende Bedürfnisprüfung vorzunehmen.
Lohnsummenregelung
Bisher war einer der Indikatoren für die Verschonung von begünstigtem Vermögen, die sogenannten Lohnsummenregelung. Diese musste bei einer Anzahl von mehr als 20 Beschäftigten berücksichtigt werden. Die Lohnsummenregelung hält das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich für verfassungsgemäß, nicht jedoch die Grenze von 20 Beschäftigten, bei welcher diese erst greift.
Hintergrund
Das bisherige Erbschaftsteuergesetzt begünstigt die Übertragung von Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftlichem Vermögen und Anteilen an Kapitalgesellschaft, soweit der Übertragende selbst an diesen zu mehr als 25% beteiligt war. Die Vergünstigung wurde sodann entweder in Form eines Verschonungsabschlags i.H.v. 85% (Regelverschonung) und ggf. eines Abzugsbetrags von Amtswegen berücksichtigt oder i.H.v. 100% (Optionsverschonung) beantragt. Die Steuerbefreiung ist davon abhängig dass die Behaltensfristen und o.g. Lohnsummenregelung in den folgenden 5 bzw. 7 Jahren nicht verletzt werden. In Punkto Lohnsummenregelung darf die Lohnsumme innerhalb von 5 Jahren nach dem Erwerb insgesamt 400% der Ausgangslöhne nicht unterschreiten - bei der Optionsverschonung erhöhen sich die Werte auf 700% in den darauffolgenden 7 Jahren.
Verwaltungsvermögen
Bislang wird der Übergang von begünstigtem Vermögen verschont, soweit kein schädliches Verwaltungsvermögen von über 50% vorliegt. Dies können zum Beispiel Wertpapiere, oder vermietete Grundstücke sein; sprich Vermögen welches nicht zur Produktion benötigt wird bzw. dem eigentlichen Betriebszweck dient. Die Karlsruher Richter sahen hier eine steuerliche Gestaltungsmöglichkeit, mit welcher Privatvermögen unter dem Mantel des betrieblichen Vermögens, uU steuerfrei übertragen werden konnte und beurteilten diese Regelung ebenfalls als verfassungswidrig.
Status quo und Ausblick
Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber die Hausaufgabe gegeben, bis spätestens 30. Juni 2016 nachzubessern und eine entsprechende Neuregelung der Gesetzeslage zu treffen. Bis zu dieser Neuregelung bleibt das alte Recht in Kraft, kann jedoch rückwirkend geändert werden - somit ist ein umfassender Vertrauensschutz leider nicht gegeben.
In der Urteilsbegründung heißt es: "...dass die Anordnung der Fortgeltung der verfassungswidrigen Normen keinen Vertrauensschutz gegen eine auf den Zeitpunkt der Verkündigung dieses Urteils bezogene rückwirkende Neuregelung begründet, die einer exzessiven Ausnutzung gerade der als gleichheitswidrig befundenen Ausgestaltung die Anerkennung versagt."
Experten gehen davon aus dass sich der Gesetzgeber an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts halten wird und nur eine minimalinvasive Änderung vornehmen wird, welche die strittigen Punkte jedoch zur Gänze erledigt. Gleichwohl ist natürlich zu beachten, dass jede Gesetzesänderung eine gewisse Eigendynamik entwickeln kann.
Quelle: BVerfG-Urteil vom 17.12.2014, Az. 1 BvL 21/12
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